Piranesi - Susanna Clarke
Vielen Dank an den Karl Blessing Verlag für dieses kostenlose Rezensionsexemplar.
Seitenanzahl: 272
Erscheinungsdatum: 05. Oktober 2020
Verlag: Karl Blessing
Originaltitel: Piranesi
Beschreibung:
Ein riesiges Gebäude, in dem sich endlos Räume aneinanderreihen, verbunden durch ein Labyrinth aus Korridoren und Treppen. An den Wänden stehen Tausende Statuen, das Erdgeschoss besteht aus einem Ozean, bei Flut donnern die Wellen die Treppenhäuser hinauf. In diesem Gebäude lebt Piranesi. Er hat sein Leben der Erforschung des Hauses gewidmet. Und je weiter er sich in die Zimmerfluchten vorwagt, desto näher kommt er der Wahrheit – der Wahrheit über die Welt jenseits des Gebäudes. Und der Wahrheit über sich selbst.
Meine Meinung:
Dass Susanna Clarke eine neue Lieblingsautorin werden könnte, stand für mich nach meiner Lektüre von Jonathan Strange & Mr. Norrell schon fest. Nach dem Lesen von Piranesi wurde mir dieser Verdacht bestätigt: Susanna Clarke ist definitiv eine Frau von Fach, die mich mit ihren wahnsinnigen Ideen und Umsetzungen vom Hocker hauen kann.
Bei diesem Roman - erneut meisterhaft erzählt und großartig geschrieben - wird es etwas schwer, ihn näher zu beschreiben und vor allem zu erzählen, was ihn für mich zu einem Jahreshighlight und einem neuen Favoriten gemacht hat, ohne zu viel vorweg zu nehmen. Die Handlung von Piranesi ist im ersten Drittel zauberhaft und mysteriös, wandelt sich in seinem zweiten Drittel zu einer unheimlichen Spannung, um zuletzt zu einem melancholischen, beinahe traurigen Ende zu kommen. Gleichzeitig ist der Roman unheimlich intelligent und gehaltvoll. Clarke zieht viele ihrer Ideen aus fachwissenschaftlichen Kontexten, zum Beispiel historischen, psychologischen und vor allem philosophischen. Während ihrer Ausführungen kann - und muss man sogar - auf die Symbolik innerhalb des Textes achten, die einen großen Einfluss auf die Geschichte nimmt. Neben dem Lesen hatte ich also eine große Freude daran, mich tiefergehend mit verschiedenen erwähnten Themen auseinanderzusetzen und von diesen lernen zu können, so konnte ich zum Beispiel das Werk von Giovanni Battista Piranesi kennenlernen, der durch seine Architekturphantasien bekannt wurde.
"Vielleicht ist das so, wenn man mit anderen Menschen zusammen ist. Vielleicht kann selbst jemand, den man mag und unendlich bewundert, einen Die Welt so sehen lassen, wie man sie lieber nicht sehen würde."
Während der ersten Hälfte des Buches befasst sich Clarke in ihrer Erzählung erneut mit den Themen Religion, Mythos und Fortschritt, dementsprechend finden wir hier also ein ähnliches Themengebiet wieder wie schon in Jonathan Strange & Mr. Norrell. Es geht um Entfremdung, innere Emigration und um Gedankenwelten, die völlig für sich und unabhängig von der Realität existieren, die gleichzeitig wunderschön sind, aber auch gefährlich, als dass man sich in diesen verlieren kann.
"Sie waren alle verzückt von der Vorstellung von Fortschritt und glaubten, alles, was neu war, müsste dem Alten überlegen sein. Als wäre Leistung eine Funktion der Chronologie! Meiner Ansicht nach konnte die Weisheit der frühen Menschen aber nicht einfach verschwunden sein. Nichts verschwindet einfach. Das ist schlichtweg nicht möglich. Ich stellte sie mir als eine Art Energie vor, die aus der Welt herausfließt, und ich dachte, irgendwo muss diese Energie ja hin. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, dass es andere Orte geben musste, andere Welten."
Die zweite Hälfte entwickelt sich dagegen in eine völlig andere Richtung, und ich muss zugeben, gerade dieser Teil konnte mich so ergreifen und berühren. Hierbei verarbeitet Clarke metaphorisch psychologische Themen wie Eskapismus, Traumata, das Stockholm-Syndrom und Persönlichkeitsstörungen, oder auch wie Genie und Wahnsinn immer ganz nah beieinander liegt. Dementsprechend ist die Schraffierung der Figuren nicht nur interessant, sondern auch realistisch und höchst psychoanalytisch. Aus der Symbolik dieses Buches lässt sich unendlich viel herausholen, das essenziell in unser aller Leben sein kann.
"Ich habe gesagt, das hier sei eine perfekte Welt. Aber das stimmt nicht. Hier gibt es Verbrechen, genau wie überall."
5 von 5 Sternen
★★★★★
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