Meister und Margarita - Michail Bulgakow

Vielen Dank an den Anaconda Verlag für dieses kostenlose Rezensionsexemplar.







Preis: 7,95 € (Gebundene Ausgabe) | 6,99 € (eBook)
Seitenanzahl: 576
Erscheinungsdatum: 28. September 2020
Verlag: Anaconda











Beschreibung: 
Moskau zu Beginn der 1930er-Jahre: Der Teufel sucht die Stadt heim und stürzt ihre Bewohner mit tatkräftiger Unterstützung seiner Zauberlehrlinge in ein Chaos aus Hypnose, Spuk und Zerstörung. Es ist die verdiente Strafe für Heuchelei, Korruption und Mittelmaß. Doch zwei Gerechte genießen Satans Sympathie: der im Irrenhaus sitzende Schriftsteller, genannt »Meister«, und Margarita, dessen einstige Geliebte. Bulgakows Gesellschaftssatire aus der Sowjetzeit ist ein faustisch-fantastisches Meisterwerk.

Meine Meinung:
"Nun ist es ja mit dem Hexenwerk bekanntermaßen wie folgt bestellt: Geht es einmal los, gibt es kein Halten mehr." (S. 108)
Hui, das war mal ein wilder Ritt! Humorvoll, fantastisch und herrlich eskapistisch, während es dem Leser zugleich jedoch nicht die Bande zur Realität entreißt ... und doch konnte es mich leider nicht vollends packen und mit sich ziehen, was mehr als schade ist, da ich bisher ausschließlich lobende Worte zu diesem Werk gehört und mich dementsprechend wirklich darauf gefreut habe. 
Der Teufel zieht faustisch durch das stalinistische Moskau, anbei seine treuen Gefährten, die einem mit Witz und Spott nur ans Herz wachsen können, und haut so ziemlich jeden übers Ohr, der ihm über den Weg läuft. Nur wenige Ausnahmen macht er für die wenigen, die nicht all dem Egoismus, der Gier und der Intrige verfielen, die schon vor Wolands Ankunft durch Moskau spukten. Man muss auch zugeben, obwohl die Handlung in den ersten Frühlingstagen spielt, ist es die perfekte Herbstlektüre, insbesondere in einer gruselig-heiteren Halloween-Atmosphäre. Bulgakow hält hier eine unglaublich atmosphärische Szenerie für seine Leser bereit, insbesondere die Ballszene ist filmreif. 
"Die Liebe sprang heraus wie ein Mörder in einer Gasse und traf uns beide auf einmal. Wie ein Blitz, wie ein Räubermesser! Sie sagte übrigens später, es sei ganz anders gewesen - dass wir uns schon lange, lange Zeit geliebt hatten, ohne uns zu kennen, ohne uns je gesehen zu haben." (S. 196)
Als besonders interessant empfand ich auch die Passagen, in denen über den vorherrschenden Atheismus diskutiert wird. Gleichzeitig las ich jedoch die Kapitel, in denen wir historienartig die Geschichte von Pontius Pilatus, 'Jeschua' und Judas erzählt bekommen, mit weniger Begeisterung. Zwar empfand ich die aufgemachten Parallelen stellenweise als belustigend, dennoch überwogen für mich schlussendlich die Längen in dieses Passagen, die meine Begeisterung zügelten.
"Und wissen Sie, es ist gar nicht schlecht hier. Man darf keine grandiose Pläne schmieden, lieber Nachbar, glauben Sie mir! Ich zum Beispiel wollte um die Welt reisen. Nun es hat nicht sein sollen. Ich sehe es nur ein kleines Stück der Weltkugel. Ich denke, es ist nicht das beste Stück, aber, noch mal, es ist gar nicht so schlecht." (S. 210)
Sowie der Racheakt beginnt, wird es herrlich komisch, aber auch chaotisch. Dieses Chaos ging mir jedoch einige Male etwas zu weit. Ich verlor die Zusammenhänge, konnte keine Assoziationen knüpfen, wahrscheinlich entgingen mir auch zahlreiche Anspielungen, denn ein Kenner des stalinistischen Sowjetregimes bin ich keineswegs. Somit vollzog sich mein Leseerlebnis nach der ersten Hälfte nur schleppend und holprig, weshalb ich mich zum Lesen auch immer wieder zwingen musste. Um den Zugang an dieser Stelle auch Lesern zu erleichtern, die sich (noch) zu wenig mit dieser historischen Periode auskennen, wären stichhaltige Fußnoten und ein gutes Nachwort ein Träumchen gewesen. Diese hätten sicherlich nicht die eigene interpretative Entdeckungssuche in Bulgakows Fabulierlust gezähmt, wie es im Kommentar der Übersetzerin steht, sondern diese überhaupt erst möglich gemacht.
"Sie wusste nicht, ob sie einen Lebenden oder einen Toten liebte. Und je länger die verzweifelten Tage andauerten, desto öfter kam ihr, besonders in der Dämmerung, der Gedanke, sie liebe einen Toten." (S. 306)
Zur Übersetzung kann ich leider keine gerechtfertigte Einschätzung geben, da ich weder das Original noch andere Übersetzungen kenne. Jedoch fiel mir die Sprache im Buch weder negativ noch überaus positiv auf. Der Schreibstil ist schlicht und treibt den Leser geradewegs durchs Buch, während der Erzählton auf eine unvergleichliche Art und Weise zwischen Heiterkeit und Melancholie schwankt. Die Begründungen zu Übersetzungsentscheidungen aus dem Kommentar der Übersetzerin erschienen mir einleuchtend.
"Du sprichst, als ob du die Schatten nicht akzeptiertest, und auch nicht das Böse. Nun, überlege doch einmal selbst: Was würde das Gute anfangen, wenn es das Böse nicht gäbe? Wie würde die Erde aussehen, wenn die Schatten von ihr verschwänden? Es sind schließlich Dinge und Menschen, die Schatten werfen. [...] Aber auch Bäume und Lebewesen werden Schatten. Willst du die ganze Erde verwüsten, alles Grün und alles Leben von ihr reißen, weil du die Grille hast, reines Licht zu genießen?" (S. 500)
Kann ich nun also von einem erhellenden Leseerlebnis berichten? Nicht unbedingt. Vielleicht wage ich in einige Jahren, wenn ich mich besser mit dem geschichtlichen Hintergrund auskenne, einen zweiten Versuch ... und dann mit einer kommentierten Ausgabe.
"Oh Götter, Götter! Wie traurig ist die abendliche Erde, wie unergründlich die Nebel über den Sümpfen! Wer in diesen Nebeln gewandert ist, wer vor dem Tode gelitten hat, wer mit einer viel zu schweren Last über diese Erde geflogen ist, der weiß es. Wer erschöpft ist, weiß es und  verlässt ohne Reue die Nebel der Erde, ihre Sümpfe und Flüsse. Wer erschöpft ist, der gibt sich leichten Herzens dem Tode hin, gewiss, dass nur der Tod -" (S. 525)

                                                         

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