Die Zeit der Erbin - Penny Vincenzi

 Vielen Dank an den Goldmann Verlag für dieses kostenlose Rezensionsexemplar.



Preis: 12,00 € (Broschierte Ausgabe) | 9,99 € (eBook)
Seitenanzahl: 864
Erscheinungsdatum: 16. Dezember 2019
Verlag: Goldmann
Originaltitel: Windfall

Beschreibung: 
England 1935: Cassia Tallow führt ein ruhiges Leben an der Seite ihres Ehemannes Edward, eines Landarztes, als ihre glamouröse Patentante Leonora ihr ein Vermögen hinterlässt. Der unverhoffte Glücksfall bringt Cassia nach London, geradewegs in die High Society – eine verführerische Welt voll dekadenter Feiern und früherer Liebhaber. Die finanzielle Unabhängigkeit gibt ihr Selbstvertrauen, und sie nimmt gegen den Willen ihres Mannes ihre Karriere als Ärztin wieder auf. Doch bald kommen Cassia Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erbes – und alles, was sie sich erkämpft hat, steht auf dem Spiel … 

Meine Meinung:

Nachdem ich 2018 und 2019 mit größter Begeisterung die Lytton-Saga von Penny Vincenzi gelesen habe, stand für mich fest: Ich werde auch andere ihrer Bücher verschlingen! So kam es dazu, dass ich mich anfänglich unglaublich auf diese weitere Übersetzung freute, gerade weil die Aufmachungen der Bücher wirklich etwas hermachen. 

Als ich dann aber begann, das Buch zu lesen, gab es für mich erstmal einen großen Dämpfer. Die ersten Kapitel haben es mir wirklich schwer gemacht, in die Geschichte einzusteigen. Ich hatte größte Probleme mit den Figuren und die Geschichte kam nur schleppend heran. 
Cassia und Edward wurden anfangs sehr schablonenhaft als tolle, erfolgreiche, moderne Frau und böser, böser Ehemann, der sie nur einschränken möchte, gezeichnet. Ironischerweise war es für mich sogar an einer Stelle interessant zu sehen, wann man von Missbrauch spricht und wann nicht. Im Roman kommt es nämlich zu einer Szene, in der Cassia ihn in einem schwachen Moment zu außerehelichem Sex verführt, obwohl es außerhalb seiner Prinzipien steht. Umgekehrt würde es selbstverständlich an Vergewaltigung grenzen - nicht vorzustellen, dass sich so etwas als positiv dargestellt in einem Buch fände -, aber anscheinend gelten solche Taten immer nur als wirklich schlimm, wenn es außerhalb der 'rückschrittigen' Konventionalität steht. Aber um den Faden nicht zu verlieren: Es gab definitiv einige Momente des Lesens, die mich dermaßen aufgeregt haben, und in denen ich wirklich mit dem Gedanken spielte, das Buch abzubrechen. Viele Passagen waren so nervenaufreibend, und dies nicht auf gute Weise, da ständig Streit zwischen den Figuren im Mittelpunkt stand. An sich ist das ja nicht schlimm, daraus ließe sich definitiv etwas machen. Jedoch war es so offensichtlich von  der Autorin gewollt, dass man auf Cassias Seite steht, dass ich nur mit den Augen rollen konnte. Häufig spielte sie dabei Rückblicke ein, die kaum als diese gekennzeichnet wurden, sodass ich zusätzlich noch extrem verwirrt war.

Und nun zum großen Aber. All diese unnötige Kindergarten-Dramatik hebt sich nach dem ersten Viertel des Buches auf und verwandelt sich erneut in ein so großartiges Leseerlebnis, wie ich es auch noch aus der letzten Trilogie kannte. Die Figuren wachsen einem sehr ans Herz, und hierbei vor allem die Nebenfiguren, die im Klappentext gar keine Rolle spielen, jedoch ebenso sicherlich fünfzig Prozent der Geschichte einnehmen. Auf diese offenbart die Autorin einen faszinierenden psychoanalytischen Blick, und ach, außerdem meint sie es nur zu oft nicht gerade gut mit ihnen und lässt sie wirklich leiden. 

Vincenzi überzeugt auch wieder mit ihren spielerischen Perspektivwechseln, ihrem britischen Humor und ihrer kreativen Vielfalt, mit der sie in nur einem Buch so viele Geschichten zu erzählen vermag. Häufig fällt man direkt in den Text hinein und scheint sich hautnah an der Seite der Protagonisten zu befinden. Ihre Erzählung zieht einen geradezu mit einer Sogwirkung durch die Seiten, als wäre man dabei in einer Art Trance.


                                                                                                

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