Farm der Tiere - George Orwell
In «Farm der Tiere» nahm George Orwell, der Vater Courage der modernen britischen Literatur, eine der größten real existierenden Sauereien des 20. Jahrhunderts auf die Mistschippe – die Pervertierung der Idee von Gleichheit und Brüderlichkeit in brutalem Gesinnungsterror. Sein Buch, 1945 erschienen und bis heute Pflichtlektüre für jeden politisch denkenden Menschen, schildert anschaulich, dass kein noch so hehres Wunschbild davor gefeit ist, von skrupellosen Demagogen in sein Gegenteil verkehrt zu werden. Und die Moral von der Geschicht‘? – Die Revolution frisst ihre Küken.
Die Neuausgabe enthält Orwells Essay «The Freedom of the Press», einst als Vorwort zu «Animal Farm» verfasst – ein grandioses Plädoyer für intellektuelle Redlichkeit.
Meine Meinung:
"Alle Tiere sind gleich, aber manche Tiere sind gleicher als andere." - S. 122.
Beim Lesen wird schnell klar, warum dieses Werk zu den Klassikern des letzten Jahrhunderts gehört. Es ist spitzzüngig, präzise inszeniert und stellenweise geradezu komisch. Ganz im Gegenteil zu einigen Stimmen und Deutungen, die sich im Nachwort äußern, bin ich auch der Meinung, dass es universell gültig ist. In meinen Augen lässt sich Orwells Gedankenkonstrukt nicht nur einzig und allein auf den sowjetischen Sozialismus anwenden, sondern ganz generell auf Machtkonstrukte und -logiken, die sich besonders im politisch linken Spektrum herauskristallisieren und auch heute noch, in Zeiten der political correctness, der dritten Welle des Feminismus mit zugehöriger LGBTQ+-Gemeinschaft und dem ominösen Mythos des cancel culture, omnipräsent sind. Dabei soll gesagt sein, dass ich nichts gegen die Grundgedanken linker Strömungen einwenden möchte. Schaut man sich aber deren praktische Umsetzung an, stößt man immer wieder auf Paradoxien und Probleme.
Und damit lässt sich auch großartig zu meinem nächsten Punkt überleiten. Es ist auffällig, dass die Figur des Napoleon, sozusagen des 'Führer-Schweins', von Anfang an Hintergedanken in seinem politischen Machtstreben hat. Prinzipiell kann man also sagen, dass diese Figur von Beginn an als charakterlich schlecht dargestellt wird. Es befindet sich schon anfänglich auf moralischen Abwegen und ist weniger moralisch grau durchsetzt. Das ist ein zentrales Problem, das ich mit dem Plot und somit auch mit der Botschaft der Geschichte hatte, denn auch wenn ich denke, dass es diese machtgierigen Menschen, komme, was wolle, gibt, so denke ich nicht, dass sich diese die linken Grundsätze derart zunutze machen. Interessanter wäre es ja doch gewesen, wenn eine Figur sich tatsächlich erst das Beste wünscht und dies verwirklichen möchte, ehe der Egoismus seine Prioritäten im Kreise dreht. Andererseits zeigt es natürlich auch, dass der Egoismus unumkehrbar im Menschen angelegt ist, obwohl ich denke, dass der Ausgang der Geschichte immer noch vermuten lässt, dass vor allem intelligentere oder privilegiertere Menschen andere ausnutzen werden. Andere Figuren der Geschichte, wie zum Beispiel Benjamin der Esel, sieht man als Leser nicht dazu imstande, solche Dinge zu bewirken, und ich weiß nicht, wie ich dazu stehe. Hierbei erscheint mir die Message zu sein, dass der Kommunismus gut sein kann, wenn er nur von den richtigen, 'guten' Menschen initiiert wird. Ich schließe mich wohl eher dem Zitat der Verlegerin an:
"Jeder Befehlshaber, und sei er noch so egalitär, etwa als tapferer Kämpfer, an die Macht gekommen, wird sich irgendwann für so unentbehrlich halten, dass er seine Macht missbraucht, um sie zu festigen [...]. Farm der Tiere ist ein ewiges Gleichnis für das Destruktive an der menschlichen Gruppendynamik." - Nachwort von Eva Manesse, S. 175.
Hierbei würde ich zu einhundert Prozent mitgehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich Orwells Botschaft war, der ja immerhin ein Anhänger und Befürworter des Sozialismus war. Vielmehr denke ich, soll die Message sein, dass ebendiese historischen Umsetzungen der linken Ideale falsch waren, es aber noch irgendwo eine richtige gibt. Wenn ich auch keine Befürworterin des Kapitalismus bin, muss ich aber trotzdem sagen, dass ich mich diesem Optimismus nicht anschließen kann. Auch linke Ideale, betrachtet man beispielsweise den Feminismus, nehmen diese machtgierigen Tendenzen an, was sich heutzutage häufig sehr gut beobachten lässt. Warum ... das steht auf einem anderen Blatt der anthropologischen Philosophie, und darum soll es hier natürlich auch nicht gehen.
Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass mir die Geschichte sehr gut gefallen hat, wenn es mir auch an moralischen Grautönen statt der Besetzung der üblichen Klischees fehlte. Der Unterton der Erzählung bringt einen häufig zum Schmunzeln und einige tierische Figuren schließt man aufgrund ihrer Eigentümlichkeit sehr ins Herz. Auch muss ich sagen, dass ich in dieser Erzählung nicht mit ewigen Längen zu kämpfen hatte wie beim Lesen von 1984. Im Nachwort habe ich diesbezüglich erfahren können, dass Orwell vor seinem Tod für letztgenannte Dystopie kaum noch Zeit hatte, diese zu korrigieren, weshalb es wohl überhaupt zu diesen gekommen ist.
Man kann ebenfalls sagen, dass ein Großteil des Anhangs, der beinahe ein gutes Drittel des Buches ausmacht, sehr informativ war. Besonders gut gefallen hat mir Orwells Essay zur Pressefreiheit sowie, dass das Vorwort zur ukrainischen Ausgabe, das einige Hintergründe zur Entstehung aufdeckt, ebenfalls im Anhang angesiedelt worden ist, und somit nichts vorm Lesen der Geschichte vorwegnimmt. Dennoch war besonders das Nachwort - auch wenn ich einige Passagen, gerade die zur Relevanz der Geschichte, als sehr erhellend empfand - einfach zu lang. An einigen Stellen wiederholten sich biografische Informationen zum Autor, die schon in seinem Vorwort erwähnt worden waren, an anderen nützten mir die ausschweifenden Informationen nicht besonders. Allgemein ist es ja in den Literaturwissenschaften eher umstritten, inwiefern man ein Werk zu nah auf das Leben des Autors anwenden soll; dementsprechend hätte ich hier an einigen Stellen eine Kürzung bevorzugt. An sich kann ich diese Ausgabe des Werkes aber sehr empfehlen! Die Übersetzung erschien mir sehr treffend und hielt mich nicht von meinem Lesefluss ab, und auch der Anhang ist, wie gesagt, größtenteils sehr lohnend.
"Wenn Freiheit irgendeine Bedeutung hat, dann das Anrecht darauf, den Menschen das zu sagen, was sie nicht hören wollen." - S. 152.
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