Klara und die Sonne - Kazuo Ishiguro

Vielen Dank an den Blessing Verlag für dieses kostenlose Rezensionsexemplar.
Preis: 24,00 € (Gebundene Ausgabe) | 18,99 € (eBook)
Seitenanzahl: 352
Erscheinungsdatum: 15. März 2021
Verlag: Karl Blessing Verlag
Originaltitel: Klara and the Sun


Beschreibung: 
Klara ist eine künstliche Intelligenz, entwickelt, um Jugendlichen eine Gefährtin zu sein auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Vom Schaufenster eines Spielzeuggeschäfts aus beobachtet sie genau, was draußen vor sich geht, studiert das Verhalten der Kundinnen und Kunden und hofft, bald von einem jungen Menschen als neue Freundin ausgewählt zu werden. Als sich ihr Wunsch endlich erfüllt und ein Mädchen sie mit nach Hause nimmt, muss sie jedoch bald feststellen, dass sie auf die Versprechen von Menschen nicht allzu viel geben sollte.

Meine Meinung:

Kazuo Ishiguro ist ein Schriftsteller, der mich nicht unbedingt mit einem ungewöhnlichen oder lyrischen Schreibstil überzeugt, sondern vor allem wegen seinen facettenreichen Plots, die auf eine häufig erstmal schwer zu fassende, unergründliche Weise von den (Ab-)Gründen des Menschseins erzählen. Nicht nur das, vielmehr geht er so weit, das Menschliche an genau den Figuren zu finden, die auf den ersten Blick am Rande der Gesellschaft angesiedelt sind - wenn sie dieser überhaupt angehören. Es sind also Außenseiterfiguren, und das Besondere an diesem Werk, ebenso wie an Alles, was wir geben mussten, ist die sehr einmalige, literarische Betrachtung durch eine Verbindung von Othering und Subjektivierung - man könnte beinahe sagen: die Subjektivierung durch das Othering. Figuren in Ishiguros Werk werden eben durch ihre Ausgrenzung zu den vielleicht reinsten Wesen, die uns die essenziellsten Dinge über das Menschsein und das Heranreifen zu einem solchen zeigen können. Sie lassen uns begreifen, dass ebendie, die gerade so wirken, als würde ihnen etwas an 'Echtheit' fehlen, gerade die sind, die uns begreifen lassen, dass es 'voll'wertige Menschlichkeit in diesem Sinne nicht mehr gibt - oder zumindest nicht dort, wo wir sie auf den ersten Blick verorten würden.

Gleich zu Anfang würde ich gerne anmerken, dass mich der Roman sehr an die Grundzüge von Philip K. Dicks Blade Runner oder auch Steven Spielbergs A.I. - Künstliche Intelligenz erinnert hat. Und das ist keineswegs als Kritikpunkt gemeint, ganz im Gegenteil sind das Geschichten mit großartigen Botschaften, die noch in zahlreichen Variationen vorkommen könnten, ohne dass es ihnen an Tiefe und Originalität fehlen könnte. 
Ishiguro fügt sich also mit der Kreierung seiner Hauptfigur, der Künstlichen Freundin Klara, in dieses Erzählmuster ein. Klara und ihre Artgenossen sind Künstliche Intelligenzen, die vor allem als eine Art Kinderbetreuer eingesetzt werden und ihren Käufern von da an als Spielgefährten und Aufpasser, aber vor allem als Einsamkeitsbewältiger und unendliche Liebesgeber zur Verfügung stehen. Ishiguro verwebt seinen Plot in ein Setting, das nicht allzu fern von unserer heutigen Realität entfernt zu sein, und sich dennoch durch einen offensichtlichen Punkt auszuzeichnen scheint: einer etablierten Klassengesellschaft von einer höhenwertigen Intellektuellenklasse und andererseits einer Arbeiterklasse, der zwar ein sicheres, gesundes Leben, jedoch kein gut ausgebautes Schulsystem zur Verfügung steht. An sich muss man sagen, dass der Autor in diesem doch nicht allzu weitläufigen Roman zahlreiche Genres ineinander verwickelt: wir treffen auf Handlungsstränge, die in Richtung Coming-of-Age laufen, ebenso findet sich offensichtlich ein Science-Fiction-Hauch, gepaart mich einer leichten dystopischen Brise sowie einer gepfefferten Gesellschaftskritik zum Ende des Buches. 

Wie gesagt, zeichnet sich Ishiguro in seiner Ehrwürdigkeit nicht gerade durch seinen besonders anspruchsvollen Schreibstil aus, wodurch die komplexe Geschichte aber um einiges zugänglicher wird. Ich habe gehört, dass der Autor diesen Plot erst als Kinderbuch plante, aber aufgrund seiner Komplexität nun doch als Roman für Erwachsene geschrieben hat. Ein großer Teil des Romans wird tatsächlich wie eine Heldengeschichte erzählt, die auf den Sieg des Protagonisten wartet - oder vielleicht sogar auf ein Wunder? Eins ist dem Buch dabei aber auf jeden Fall geblieben: seine lockerreichte Atmosphäre, die aber häufig immer wieder in eine derartige Schwermut umlenkt, dass sie einem wirklich unter die Haut geht.

Vieles bleibt lange im Unklaren, und man ist als Leser darauf angewiesen, zwischen den Zeilen zu lesen. Besonders gut gefallen hat mir die Ausschmückung von Klaras Sichtfeld als Erzählerin, und das meine ich wörtlich. Häufig wird beschrieben, inwiefern sie durch ihren technologischen Blick durch Kameraaugen ihre Umwelt analysiert und durch welche Details sie Emotionen und teilweise auch gemischte Gefühle bei Menschen wahrnimmt. Wichtig ist dies in Anbetracht der zentralen Thematisierung von Empathie und unbändiger Hoffnung innerhalb des Romans. Zentral wird auch die Religiosität, die Klara zur Sonne entwickelt, während die 'echten', also biologischen, Menschen um sie herum immer mehr davon abkommen, an irgendetwas anderes als den eigenen egozentrischen Erfolg zu glauben ... kein Wunder also, dass sie sich Maschinen bauen, die sie von ihrer Einsamkeit abhalten sollen. Immer wieder wird deutlich, dass ebendieses Fühlen mit anderen Menschen, wie auch im Allgemeinen die Liebe zu anderen Menschen aufgrund ihrer verschiedenen persönlichen Eigenheiten genau das ist, was den Menschen zum Menschen macht ... und dass auch wir Leser oft kurz davor sind, ebendiese Eigenschaft zu verlieren. Über die Seiten des Romans schließt man Klara und ihre Sicht auf die Welt sehr ins Herz, wodurch die letzten Kapitel des Buches wirklich schmerzen und hoffentlich vielen 'Noch-Menschen' die Augen öffnen können. 


5 von 5 Sternen
                                                                                                

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